Experten reagieren auf die von der Diyanet unterstützte App zur „spirituellen Führung“: „Sie stellt ein Risiko für die öffentliche Gesundheit dar.“

Die Praxis des „spirituellen Führers“, die in den letzten Jahren in der Türkei im Bereich der Bildung und psychologischen Beratung eingeführt wurde, ist in der Öffentlichkeit und in akademischen Kreisen zu einem Diskussionsthema geworden.
Absolventen der psychologischen Beratung und Begleitung (PDR) sowie Fachkräfte für psychische Gesundheit argumentieren, dass diese vom Präsidium für religiöse Angelegenheiten und einigen Universitäten unterstützte Praxis einen Verstoß gegen die berufliche Kompetenz darstelle. Bis 2025 waren nur 44 Prozent der PDR-Absolventen in ihrem Berufsfeld beschäftigt. Experten glauben, dass diese Situation durch die zunehmende Verbreitung fachfremder Praktiken noch verschärft wird.
„MUSS VON EXPERTEN VORGESTELLT WERDEN“Gegenüber Cumhuriyet erklärte Prof. Dr. Ejder Akgün Yıldırım, Vizepräsident der türkischen Psychiatrischen Vereinigung: „Psychotherapeutische Leistungen sollten nur von Fachkräften erbracht werden, die auf diesem Gebiet qualifiziert sind. Andernfalls verstoßen sie sowohl gegen das Gesetz Nr. 1219 als auch gegen die medizinische Realität.“
Yıldırım betonte, dass in der Türkei zahlreiche Beratungs- und Betreuungsspezialisten, Psychologen und Sozialarbeiter auf Arbeitssuche seien. Er erklärte: „Die Schaffung von Arbeitsplätzen in diesen Bereichen mit anderen Berufsbezeichnungen als der psychischen Gesundheit schränkt die Berufsaussichten ein und birgt ernsthafte Risiken für die öffentliche Gesundheit.“ Yıldırım betonte außerdem, dass diese Praktiken auch die Glaubenswelt von Einzelpersonen beeinträchtigen könnten. Er sagte: „Überweisungen unter dem Deckmantel der spirituellen Beratung können schwerwiegende Folgen haben, wie etwa Schuldgefühle, Suizidgefahr und Selbstverletzung. Dies verletzt sowohl das Recht des Einzelnen auf Gesundheit als auch seine geistige Integrität. Dies ist ein Problem der öffentlichen Gesundheit und medizinisch und rechtlich gefährlich.“
„MUSS AUF ETHISCHEN REGELN BASIERT WERDEN“Prof. Dr. Metin Pişkin, stellvertretender Vorsitzender der türkischen Vereinigung für psychologische Beratung, erklärte, dass psychologische Beratungsdienste eine entscheidende Rolle für die gesunde Entwicklung des Einzelnen spielen. Pişkin sagte: „Diese Dienste müssen auf wissenschaftlichen Grundlagen und ethischen Prinzipien beruhen. Andernfalls entstehen sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Schäden.“
Pişkin erinnerte daran, dass in der Türkei Tausende Absolventen der Berufsberatung auf eine Anstellung warten, und fuhr fort: „Psychologische Unterstützung wird in vielen Bereichen benötigt, von Studentenwohnheimen bis hin zu Justizvollzugsanstalten. Die Priorität des Staates sollte darin bestehen, Fachkräfte in diesen Bereichen einzustellen.“
Cumhuriyet